April 21, 2020

Digitalisierung – Que vadis?

Jeder redet darüber und viele meinen etwas anderes damit. Sicher sind alle Deutungen des Wortes ein wenig richtig, ich persönlich glaube es ist viel mehr als nur die Summe der einzelnen Definitionen.

Netzausbau

Die Politik hat das Thema in Deutschland lange zwar betont, leider allerdings wenig dazu getan, um es voran zu treiben. Die Infrastruktur, Stichwort Netzausbau, ist in Deutschland leider immer noch ein Thema. Daran haben auch Auflagen bei der Vergabe der 4G Lizenzen nichts geändert. Auch 5G wird daran, wenn es dann irgendwann kommt, nichts ändern. Die wirtschaftlichen Anreize auf dem Land mit wenigen Nutzern die teure Infrastruktur auszurollen ist nicht im Interesse der Telekommunikationsunternehmen. Auch das per Gesetz angestrebte Roaming wird nicht den Erfolg bringen. Wenn ein Anbieter die Infrastruktur anderen Betreiber mitbenutzen kann, stellt sich die Frage, warum nicht warten, bis jemand anders einen Sendemast in dünn besiedeltem Gebiet aufbaut.

Dazu heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag: „Unser Ziel lautet: Glasfaser in jeder Region und jeder Gemeinde, möglichst direkt bis zum Haus“. Das ist leider lange überflüssig und die späte Abkehr vom Kupferkabel mit VDSL Technologie führte zur Verschiebung notwendiger Investitionen um Jahre. Fakt ist, nach Angaben der Europäischen Kommission haben gerade einmal fünf Prozent der deutschen Bevölkerung einen schnellen Breitbandanschluss (mehr als 100 MB/s). Die Versorgung mit Glasfaseranschlüssen liegt bundesweit bei 2,3 Prozent.

Die von der Regierung bereitgestellten Fördergelder wurden schon in der letzten Legislaturperiode nur ca. 2% der Fördermittel abgerufen, Gemeinden bauen lieber Glasfaser im Alleingang aus, da das schneller und unbürokratischer ist. Allerdings nutzt das wenig, wenn das regionale Glasfasernetz nicht breitbandig an einen Internet Backbone angebunden ist. Die Bundesregierung will dem entgegensteuern, indem ein Gesetz zur Stärkung kleinerer, regionaler Provider vorbereitet wird. Schon Helmut Schmidt forderte Glasfasernetze, das ist wirklich lange her: https://www.t-online.de/digital/internet/id_83348004/ewige-breitband-baustelle-schon-helmut-schmidt-forderte-1981-ein-glasfasernetz.html

Auch 5G wird, wie schon angedeutet, wenig ändern. Vor allem wirkt sich mehr Regulierung negativ auf den bei der Versteigerung der Frequenzen zu erzielender Preise aus. Die geringeren Einnahmen fehlen letztendlich wieder für die Investition in besseren Netzausbau. Vielleicht wäre es besser anstelle von komplizierten und verwaltungsintensiven Fördergeldern lieber Steuererleichterungen für Infrastruktur einzuführen.

IT-Sicherheit

Die Angriffe auf den Bundestag im letzten Jahr und natürlich auch viele, nicht so durch die Presse gegangene Angriffe auf Unternehmen, zeigen, dass die Bedrohung real ist. Ob heute noch ein Nuklearer Krieg geführt werden würde, zumindest im globalen Umfang, halte ich für fraglich. Die großen Machtblöcke inklusive China haben längst andere Mittel dem jeweiligen Gegner auszuschalten. Mit dem Internet der Dinge und der Industrie 4.0 werden wir noch viel anfälliger für Cyberangriffe, wenn nicht mehr für die IT Sicherheit getan wird. Digitalisierung erfordert die Ausdehnung der staatlichen Kompetenzen, sowohl Legislative als auch Executive in den digitalen Bereich. Die gesellschaftliche Diskussion über die Ausdehnung von z.B. „Staatstrojanern“, ende zu Ende Verschlüsselung, „Backdoors“ für Sicherheitsbehörden, etc. ist wichtig.

Mit der Förderung von sichererer Verschlüsselung, sicherer ID, Stärkung der Zivilgesellschaft und der Förderung von Unternehmen bei der Entwicklung sicherer Produkte kann der Staat Voraussetzungen für einen höheren Sicherheitsstandard im digitalen Umfeld schaffen. Die Frage ist, ob dann noch präventive Übernahme von privaten Devices durch die Sicherheitsbehörden notwendig sind. Sicherheit ist ein Prozess, der neben technischen auch viele gesellschaftliche und organisatorische Aspekte hat.

Nachhaltigkeit

IoT, zu dem viele „Smart Home“ Devices wie Glühbirnen oder Fernseher gehören breiten sich rasant aus. Fehlt nach kurzer zeit das Softwareupdate, landen diese Devices auf dem Müll. Durch die einer quadratischen Funktion folgende Innovationskurve, werden die Zyklen immer kürzer, in denen neue Devices auf den Markt kommen. Auch hier landen die Alten oft im Schrott. Neben dem Plastikmüll ist der Elektronikschrott eines unserer größten Probleme. Die Lösung ist schon bei der Herstellung darauf zu achten, dass die Produkte einfach zu Recyceln sind.

Statt hier mit klaren gesetzlichen Vorgaben beim Import und der Produktion voran zu gehen, ist die derzeitige Planung der Bundesregierung ein neues Gütesiegel einzuführen und einmal mehr die Verantwortung auf den Verbraucher abzuwälzen. Das erinnert an die Flut nicht aussagekräftiger „BIO Siegel“, die damit allesamt wertlos werden. Ich will nicht erst jedes Mal, wenn ich im Supermarkt eine Tüte Milch kaufe recherchieren, welches Siegel denn nun tatsächlich Nachhaltigkeit verspricht und welches einfach nur den Profit des Herstellers steigert.

Arbeit und Gesellschaft

Der Satz „Integration läuft über Arbeit“ zeigt sehr deutlich, wo wir heute (noch) stehen. Ohne Arbeit gehen soziale Kontakte verloren. Ohne Arbeit geraten wir in der heutigen Gesellschaft immer mehr ins Abseits, eine Spirale, die nach unten führt und schwer zu durchbrechen ist.

Die Arbeit hat sich stark verändert, sie ist flexibler geworden. Es gibt viel mehr Heimarbeitsplätze, Arbeitszeiten sind nicht mehr starr, sie dringen in das private Leben vor. Die Durchmischung von Arbeit und privatem Leben ist allgegenwärtig.

Mit der weiteren Digitalisierung, insbesondere durch vermehrten Einsatz von KI, werden immer mehr Arbeiten wegfallen. Alle methodischen Arbeiten, die wenig Kreativität fordern, sind anfällig für die Automatisierung. Das kann gut sein, wie mir ein dankbarer Mitarbeiter eines Automobil OEM erzählte, dessen Aufgabe unter anderem war das Quietschen von Bremsen aus aufgezeichneten Geräuschen von Probefahrten zu isolieren. Diese Aufgabe wird mittleerweile durch ein KI perfekt erledigt. In Zukunft werden dazu auch viele Tätigkeiten wie Buchhaltung, Helpdesk (Chatbots sind eigentlich mittlerweile ein altes Thema), etc. gehören. Auch in der Produktion werden und viele Jobs verloren gehen. Was passiert, wenn die sich rasant entwickelnde 3D Druck Technik herkömmliche Fertigungstechniken ersetzt? Wozu brauchen wir die bisherige Logistik, wenn der Drucker in Printhubs nahe am Verbraucher ist und von Herstellern gemeinsam genutzt werden kann? Was machen wir mit Taxifahrern, wenn in naher Zukunft autonome Fahrzeuge der Stufe 5 auf unseren Straßen fahren? Wohin mit den vielen Produktionsjobs in der Automobil- und Zulieferindustrie, wenn durch Carsharing und autonomes Fahren plötzlich viel weniger Fahrzeuge produziert werden.

So What?

Digitalisierung betrifft uns Alle, sie bietet viele Vorteile und bringt viele Veränderungen. Aufhalten lässt sich die Digitalisierung nicht, nur gestalten. Genau das wird unsere Aufgabe als Mensch werden. Smarte Maschinen und Netze werden den Menschen in Zukunft nicht mehr benötigen, er wird eher hinderlich sein für die maschinengesteuerten Prozesse. Kreativität ist die Domain, in der Maschinen uns Menschen nicht ersetzen können. Daher sollten wir uns darauf konzentrieren und überlegen wie wir die „smarten Netze“ und „Devices“ zu unserem Vorteil nutzen und nicht sich selbst überlassen. Insbesondere soziale Themen werden in Zukunft einen ganz anderen Stellenwert in unserer Gesellschaft erlangen (müssen). Die heutige Gesellschaft, die sich hauptsächlich durch Arbeit definiert, wird in Zukunft keinen Bestand mehr haben. Die Arbeit erledigen dann Maschinen. Im Gegensatz zu den vergangenen Industriellen Revolutionen, bei denen nach anfänglichem Verlust von Arbeitsplätzen durch Automatisierung, mehr neue entstanden, ist das bei der Digitalisierung nicht absehbar. Digitalisierung hat viele Aspekte. Technik, Software, KI und Netze sind nur einer. Die Auswirkungen auf die Gesellschaft werden noch viel zu wenig diskutiert. Vielleicht einmal ein Ansatz noch einmal über das bedingungslose Grundeinkommen und eine Bürgerversicherung nachzudenken. Nicht unbedingt aus sozialistischer Überzeugung und auch nicht in der Ausprägung, sondern eher aus der Notwendigkeit einen Konsens in der Gesellschaft zu erhalten und die seit Generationen in Europa anhaltende Phase des Friedens nicht zu gefährden.

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